007. GOTT LIEBEN - 2-
Vor ein paar Jahren lernte ich, wie das mit dem "Verstehen"
funktioniert, was alles dazu gehört: Wissen über ein Objekt
besitzen wie es funktioniert, es in seiner Wesenheit zu mögen und
Daten über den gegenwärtigen Zustand und seine Funktion
auszutauschen. Schon bald drängte sich mir ein Gedanke auf:
Verstehen ist gleich Liebe. In der Folge bestätigte sich diese
Annahme durch erleben, ich erfuhr, daß die Gefühle der Liebe
dann erschienen, wenn ich genau um eine Sache wußte, und je
stärker entwickelten sich die Gefühle, je mehr ich wußte.
Nun, das war wieder eine Einleitung für das, was mir zu sagen am
Herzen liegt.
"Liebst du Gott?" Eine schwere Frage, nicht wahr? Aus dem
Vorgehenden sollte deutlich werden, daß ohne Verstehen keine
Liebe möglich ist, oder daß das Maß der Liebe gleich dem Maß der
Übereinstimmung ist, inwieweit du dich als Individuum mit dem
Ganzen identifizieren kannst. Besser wäre, ich hätte dich gefragt:
"Was verstehst du von Gott?"
Die Frage bleibt schwer, ist vielleicht sogar schwerer geworden
durch das Verschieben von der Ebene Gefühl in den Bereich des
Wissens. Laß uns doch diese beiden Möglichkeiten, "Gott nahe zu
sein", einmal näher betrachten.
Liebst du Gott aus einem Gefühl heraus, stimmst also mit dem
unbewußten Teil deiner Identität mit dem Ursprung der
Schöpfung überein, mußt du dich zwangsläufig mit den
Wahrnehmungen aus deiner Umgebung konfrontieren. Die jedoch
fügen sich nur schwer in das Bild reiner Liebe: Haß, Mord- und
Totschlag, Gewalt, Unterdrückung, Umweltzerstörung, Krankheit,
Unglücksfälle usw. usf. Ich halte es für geradezu zwingend, daß in
einem Gott liebenden Menschen Zweifel an seiner Liebe kommen
müssen, sobald er mit seinem Verstand nach Sinn und Zweck
dieses zweifelhaften Daseins fragt, das von so üblen
Erscheinungen begleitet wird. Wie und in welchem Maße kann ich
einen Gott lieben, der solch elende Zustände duldet, ja sogar als
Verursacher der Schöpfung dafür verantwortlich zeichnet?
Ich glaube, daß die Gott wahrhaft liebenden Menschen diesen
realen Teil der Schöpfung in die absolute Dunkelheit verdrängen
oder den
Teufel als nicht von Gott geschaffenes "Fremdes Wesen" zu Hilfe
nehmen, um auf ihm die Schandtaten dieser Welt abzuladen.
Wohin sonst mit dem Dreck, wenn ihr Gott nur Gut ist?
Gott verstehen können erscheint als eine wahnwitzige oder
utopische Grundlage für eine Liebe zu ihm. Er, der über uns allen
thronende Herrscher, unangreifbar, nicht ansprechbar, von
unsichtbarer Gewalt; dabei zwiespältig, indirekt verwickelt in die
schrecklichsten Glaubenskriege, Inquisition, Hexenverfolgung und
Motiv für blutige Kreuzzüge.
Zu beantworten ist "lediglich" die Frage nach dem Warum zu.
Warum verursachte Gott unser Universum? welches Motiv steckt
hinter der Schöpfung? Leider bin ich zuwenig belesen um sagen
zu können, welche "Ketzer" vor mir diese Frage stellten, und -
welche Antwort sie fanden. Gewiß aber ist, daß die Religionen sich
- aus gutem Grund - mit der Gewalt ihrer Dogmen und Tabus vor
diese Frage stellten. Der gute Grund ist einfach: Mit Wissenden
gibt es keine Gläubigen mehr, mit der "Macht Gottes" läßt sich der
um Gottes Absicht Wissende nicht mehr unterdrücken. Ja, ja, die
Methoden weltlicher Macht.
Bevor wir ans "Eingemachte" gehen, möchte ich für denjenigen,
der von einer »Schöpfung-Nur-So« ohne Motiv überzeugt ist,
sagen, daß ohne ein Motiv nichts, aber auch gar nichts geschieht.
Gut, greifen wir uns eines meiner blöden Beispiele zur Aufhellung
des Themas. Ich nehme mir eine Dose Milch, zerstöre sie, indem
ich zwei Löcher hinein steche. "Warum hast du die Dose
zerstört?" Ich will die Milch trinken. "Warum?" Ich muß meinen
Körper ernähren. "Warum?" Damit ich leben kann. "Du könntest
auch ohne die Milch leben". Ja, aber mit der Milch besser.
Mein Motiv für die Zerstörung lautete: Besser leben, meinen
Zustand verbessern. Bevor ich mit meiner "Arbeit" begann, war
Ruhe. In diesem Zustand kam mir die Idee Verbesserung, ich
fragte wie, suchte, sah die in der Dose verschlossene Milch,
wußte um meinen Dosenöffner und daß ich ihn bedienen kann, und -
startete den "Prozeß Verbesserung". Ich denke, je mehr man
einem Prozeß auf den Grund geht, je mehr entdeckt man dieses
zentrale (universelle?) Motiv: Verbesserung. Der Schritt hin zu
unserem Schöpfer fällt nun nicht mehr ganz so schwer, denn wenn
in den Teilen seiner Schöpfung dieses Motiv steckt, woher sollte
es wohl kommen, wenn nicht von ihm?
Gott als einen Schöpfer zu entdecken, der sich verbessern, will
erscheint wieder sehr gewagt. Ein vollkommener, ein allmächtiger,
allwissender Gott (der mit zahlreichen weiteren Attributen
zugekleistert wurde) soll sich verbessern wollen mittels der
Kreaturen, die aus seinem Paradies eine Hölle bauten? Wieder
befinden wir uns auf einem abenteuerlichen Pfad, jedoch gefunden
aus dem Morast unserer wahrhaft abenteuerlichen Welt und
Weltgeschichte. Genauer gesagt bauten die Brüder die Wegweiser
und beschrifteten sie, die ihr schlechthin als Verbrecher
bezeichnet: die Scheuklappen verteilende, über dem Volk
stehende geistige Elite, die glauben, sie hätten unseren Karren
dicht vor den Abgrund geschoben. Aber sie irren, ganz gewiß.
Wir verstehen Gottes Werk, wenn wir in dem laufenden
Geschehen das entdecken können, was seiner Verbesserung
dienen könnte. Und nicht nur einiges, sondern alles Geschehen
müßte seinem Motiv entsprechen, ALLES und - das seit Anbeginn
der Schöpfung, eben alles bisher vom Menschen an Taten
vollbrachte. Oh Gott, welch' Rätsel gibst du uns hier in die Hand,
unlösbar wie ein gordisch verschlungener Knoten? Warum mußt du
Milliarden Kinder sterben sehen, warum reicht dir nicht ein
einziges - und, wäre selbst das nicht zuviel? Willst du vielleicht,
daß deine Kinder beide Erfahrungen sammeln - verhungern müssen
und verhungern lassen? Das, um etwa Brüderlichkeit zu lernen?
Warum ließen deine Päpste ungezählte Morde
bege-hen, schlachteten in deinem Namen ganze Völker,
ausgerottet vom Neugeborenen bis zum Greis? Genügte nicht ein
Volk, eine Stadt, ein Dorf, eine Familie? Und, warum überhaupt
diese eine? Willst du vielleicht, daß deine Kinder sowohl zum
Mörder werden als auch gemordet werden, um etwa
Brüderlichkeit zu lernen? Willst du etwa wissen um dein Ideal
Brüderlichkeit, was alles deine Kinder mit ihren Ideen erleben,
bis sie deine Liebe begreifen? Willst du dich in deinem Werk
verstehen? Ist unsere Offenbarung auch deine Offenbarung?
Ein Jesus und ein Hitler, mußten diese extrem gegensätzlichen
Existenzen auf der Bühne erscheinen, etwa weil du vollkommen
geschaffen hast, also alles? Entwickeln sich im Prozeß der
Geschichte alle Möglichkeiten der Darstellung und offenbaren
sich schließlich durch menschliches Tun?
Aber was ist mit den Waffenarsenalen, die mit Sicherheit
irgendwann in die Luft fliegen, die Welt mit Pflanzen, Tieren,
Menschen zu toten Fragmenten des Lebens, zu weniger als Staub
und Asche werden läßt? Ist das die letzte menschliche Idee, die
du praktiziert sehen mußt, ist die vollkommene Zerstörung der
letzte fehlende Baustein der sich darstellenden Kraft? Müssen
wir auch das verstehen?
Der Teufel regiert die Menschen, nimmt immer wieder Gestalt an
in den höchsten Positionen der Verantwortlichkeit. Der Teufel, ein
Sohn von dir, so extrem schlecht, wie Jesus andererseits gut
war? Kain und Abel, die Gegensätze aus einer Hand, von dir? Ist
deine Ausgeburt, dieses irdische Gleichgewicht von Gut und Böse,
Ausdruck deiner höheren Harmonie?
Liebe ist verstehen. "Lieber Gott, so wie ich dich verstehe, bist
du die Schöpfung insgesamt, nicht nur das allein, was in
Fragmenten auftritt und allgemein als gut bezeichnet wird. Du bist
Alles was ist, und nur weil ich das als für dich notwendig
akzeptiere, kann ich dich auch mit meiner ganzen Kraft lieben, dir |